Bei den anhaltenden Protesten gegen die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu hat die türkische Polizei erneut Hunderte von Menschen festgenommen. Nach Angaben des türkischen Innenministers Ali Yerlikaya wurden 323 Personen festgesetzt. Diese Entwicklungen folgen den landesweiten Protesten seit Mittwoch, die in Istanbul und anderen Städten stattfanden. Die Demonstranten gingen gegen die Festnahme İmamoğlus auf die Straßen, der als politischer Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gilt.
Festnahmen und Polizei-Einsatz
Am Sonntag erklärte Innenminister Yerlikaya, dass 323 weitere Personen in Gewahrsam genommen wurden. Bereits am Samstag waren mehr als 300 Festnahmen erfolgt. Yerlikaya betonte, dass “keinerlei Versuch, die öffentliche Ordnung zu gefährden, toleriert” werde. Demonstrationen fanden vor allem in Istanbul, Ankara und anderen Städten statt. Dort kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten, wobei die Sicherheitskräfte Pfefferspray, Tränengas und Wasserwerfer einsetzten. Im Gegenzug setzten die Protestierenden Knallkörper und andere Gegenstände gegen die Polizei ein.
Hintergrund der Festnahme İmamoğlus
İmamoğlu, der Bürgermeister von Istanbul und prominentester Oppositionspolitiker in der Türkei, wurde am Mittwoch unter schwerwiegenden Vorwürfen verhaftet. Ihm wird Korruption sowie Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert, dass İmamoğlu bis zu einer Gerichtsverhandlung in Untersuchungshaft bleibt. Gegen diese Vorwürfe hat der Bürgermeister selbst vehement protestiert und bezeichnete sie als “unvorstellbare Beschuldigungen und Verleumdungen”.
Die Korruptionsermittlungen beinhalten unter anderem den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, Betrug und Manipulation von Ausschreibungen. In den Terrorermittlungen geht es um die Unterstützung der PKK. İmamoğlu hat all diese Anschuldigungen entschieden zurückgewiesen.
Politische Reaktionen und Auswirkungen auf die Wahl
Die Festnahme von Ekrem İmamoğlu hat in der Türkei breite politische Wellen geschlagen. Die Republikanische Volkspartei (CHP), zu der İmamoğlu gehört, hat ihre Mitglieder und auch Nicht-Parteimitglieder aufgerufen, İmamoğlu als Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl zu nominieren. Dies soll den öffentlichen Widerstand gegen seine Inhaftierung weiter stärken. Mehr als 1,5 Millionen Mitglieder der CHP sind dazu aufgerufen, in allen 81 Provinzen der Türkei abzustimmen. Die Abstimmung endet am Sonntag Nachmittag.
Die regulären Präsidentschaftswahlen in der Türkei sind für 2028 angesetzt. Doch Präsident Erdoğan könnte versuchen, diese Wahl vorzeitig anzusetzen, um eine mögliche Begrenzung seiner Amtszeiten zu umgehen, sollte er wieder kandidieren wollen. İmamoğlus Verhaftung ist der vorläufige Höhepunkt einer langen juristischen Kampagne gegen die Opposition. Kritiker werfen der Regierung vor, diese juristischen Schritte zu nutzen, um die politischen Chancen der Opposition zu schwächen und abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Auswirkungen auf die türkische Gesellschaft und Politik
İmamoğlus Inhaftierung hat in der Türkei weitreichende politische und gesellschaftliche Folgen. Viele sehen in der Verhaftung einen weiteren Versuch der Regierung, die Opposition zu zerschlagen und die politische Landschaft zu kontrollieren. Für viele ist er der aussichtsreichste Herausforderer des amtierenden Präsidenten Erdoğan.
Die Spannungen zwischen der Regierung und der Opposition spitzen sich zu, und es bleibt abzuwarten, welche weiteren Entwicklungen folgen werden. Die Proteste in den Straßen spiegeln den wachsenden Widerstand gegen die Regierung und den Wunsch vieler Türken nach Veränderung wider.
Die politischen Entwicklungen in der Türkei könnten das Land in den kommenden Monaten und Jahren weiterhin prägen. Die Frage, ob Präsident Erdoğan seine Amtszeit bis 2028 fortsetzen wird oder ob es zu einem vorgezogenen Wahltermin kommt, bleibt offen. İmamoğlus politische Zukunft und die der Opposition hängen von den kommenden rechtlichen und politischen Entscheidungen ab.