Brüssel – Die EU bereitet sich darauf vor, noch vor dem 30. Juni 2025 das erste Kapitel der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau zu eröffnen. Das teilte EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos im Interview mit dem European Newsroom (ENR) mit. Die Entscheidung könnte während der laufenden polnischen EU-Ratspräsidentschaft fallen. Trotz interner Herausforderungen und Blockade-Drohungen, insbesondere von Ungarn, zeigt sich die slowenische Kommissarin zuversichtlich. Auch Bosnien-Herzegowina sieht sie trotz politischer Krise als ernsthaften Beitrittskandidaten.
Erste Verhandlungsschritte mit Ukraine und Moldau
Die EU-Kommissarin Marta Kos erklärte am Dienstag, dass die Verhandlungen mit der Ukraine „auf Hochtouren“ laufen. Die Gespräche betreffen insbesondere die Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung von Korruption. Dies sind zentrale Voraussetzungen für den EU-Beitritt.
Damit das erste Verhandlungskapitel eröffnet werden kann, müssen alle 27 EU-Staaten zustimmen. Ungarn hat jedoch angedeutet, den Prozess zu blockieren. Ministerpräsident Viktor Orbán kritisierte die Ukraine wegen angeblicher Diskriminierung der ungarischen Minderheit.
Streit um Einstimmigkeit und Reformbedarf
Im Zuge dieser Diskussion wird auch überlegt, die notwendige Einstimmigkeit bei Erweiterungsentscheidungen künftig durch eine qualifizierte Mehrheit zu ersetzen. Das würde bedeuten, dass nicht mehr jedes Land einzeln ein Veto einlegen könnte.
Kos sagte, dies sei eine Entscheidung des EU-Rats. Sie selbst arbeite mit ihrem Team daran, den Prozess effizienter zu gestalten. Ziel sei es, weniger bürokratische Schritte notwendig zu machen.
„Wir prüfen, ob wir einzelne Schritte zusammenfassen können“, so Kos gegenüber ENR.
Ungarisch-ukrainischer Dialog im Fokus
Die EU versucht aktiv, den Konflikt zwischen Ungarn und der Ukraine zu lösen. Die polnische Ratspräsidentschaft unterstützt laut Kos den laufenden Dialog zwischen beiden Ländern. Die Ukraine verstehe, dass es um die Rechte von Minderheiten gehe – ein wichtiges Thema innerhalb der EU.
Kos betonte:
„Die geopolitische Lage verlangt neue Schritte. Die Erweiterung ist auch ein politisches Signal der Sicherheit.“
Da eine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine derzeit nicht möglich ist, sieht Kos den EU-Beitritt als wichtigen „Sicherheitsarm“ Europas.
Westbalkan: Lange Wartezeit, aber neue Chancen
Länder wie Österreich fordern regelmäßig, dass die Westbalkan-Staaten nicht vergessen werden. Diese warten teils schon seit vielen Jahren auf Fortschritte in Richtung EU. Besonders Bosnien-Herzegowina steht derzeit im Fokus.
Kos erklärte, sie sei sich der „institutionellen und politischen Krise“ bewusst. Dennoch sieht sie gute Perspektiven für das Land. Der bosnische Außenminister Elmedin Konaković sprach von der „tiefsten politischen Krise seit dem Krieg“.
Blockade durch Ungarn verhindert EU-Sanktionen
Vergangene Woche hatten Österreich und Deutschland Einreisebeschränkungen gegen Milorad Dodik, den Präsidenten der Republika Srpska, und seine engsten Mitarbeiter verhängt. Grund waren wiederholte Verstöße gegen die verfassungsmäßige Ordnung in Bosnien.
Gemeinsame EU-Sanktionen wurden bisher jedoch durch ein Veto Ungarns blockiert. Kos betonte, dass für Fortschritte auch die Unterstützung in der Republika Srpska notwendig sei.
„Es gibt ein Zeitfenster für zwei wichtige Gesetze. Zudem muss Sarajevo den Chefunterhändler benennen“, sagte Kos.
Kos kündigt Reise nach Bosnien an
Die Erweiterungskommissarin plant Ende April eine Reise nach Bosnien-Herzegowina. Ziel ist es, die Reformagenda voranzubringen und die Verhandlungen vorzubereiten.
„Ich wäre der glücklichste Mensch, wenn wir endlich mit Bosnien verhandeln könnten. Die Menschen dort verdienen das“, sagte Kos.
Sie bleibt trotz aller politischen Widerstände optimistisch. Wenn ein Kompromiss gefunden werde, könne der Erweiterungsprozess beginnen.
Fortschritte trotz Hürden
Der Weg der Ukraine und Moldau in die Europäische Union gewinnt an Tempo – trotz diplomatischer Spannungen und struktureller Herausforderungen. Auch die Länder des Westbalkans, allen voran Bosnien-Herzegowina, erhalten neue Impulse. Ob es noch während der polnischen Ratspräsidentschaft zu konkreten Verhandlungen kommt, hängt jedoch weiterhin von politischen Kompromissen innerhalb der EU ab.