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“Eventin” vor Rügen beschlagnahmt: Experte warnt vor Eskalation

by Ryan Maxwell
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"Eventin" vor Rügen beschlagnahmt: Experte warnt vor Eskalation

Seit mehr als zwei Monaten liegt der Schattenflotte-Tanker “Eventin” vor der Insel Rügen in der Ostsee. Nun haben deutsche Behörden das Schiff offiziell beschlagnahmt. Sanktionsexperten sehen darin einen riskanten Schritt, während Beobachter eine mögliche russische Reaktion befürchten.

Beschlagnahmung und Crewwechsel durch deutsche Behörden

Die “Eventin” war im Januar wegen eines kompletten technischen Ausfalls vor Rügen in Seenot geraten und daraufhin nach Sassnitz geschleppt worden. Zunächst setzten deutsche Behörden das Schiff fest, doch nun erfolgte der nächste Schritt: Der deutsche Zoll beschlagnahmte sowohl das Schiff als auch dessen Fracht.

Zusätzlich wurde die Crew ausgetauscht, wie das Bundesfinanzministerium bekannt gab. Damit hat Deutschland die Kontrolle über das Schiff übernommen und trägt nun auch die volle Verantwortung. Laut Experten könnte diese Maßnahme weitreichende diplomatische und wirtschaftliche Folgen haben.

Rechtliche Unsicherheiten und politische Risiken

Der Sanktionsexperte Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht in der Beschlagnahmung eine erhebliche Eskalation. “Die Bundesregierung geht hier ein hohes Risiko ein, da die rechtliche Grundlage nicht ganz eindeutig ist”, erklärte er gegenüber dem NDR.

Laut Lohmann könnte der Grund für die Beschlagnahmung die mutmaßlich illegale Einfuhr von russischem Öl sein. Ob jedoch das Schleppen eines defekten Tankers in deutsche Hoheitsgewässer bereits als Einfuhr gewertet werden kann, sei fraglich. Sollte der Fall vor Gericht gehen, könnte dies einen langwierigen Rechtsstreit nach sich ziehen.

Auch politisch sei die Maßnahme heikel. “Statt schrittweise vorzugehen, hat die Bundesregierung eine der drastischsten Optionen gewählt”, so Lohmann. Man hätte stattdessen zunächst Dienstleistungsverbote gegen Schiffe der Schattenflotte verhängen können. Nun bestehe das Risiko, dass Russland das Vorgehen propagandistisch nutzt und als feindlichen Akt wertet.

Was passiert mit dem Schiff und der Fracht?

Noch ist unklar, was mit der “Eventin” und der Ladung geschehen soll. Der Tanker transportiert knapp 100.000 Tonnen Schweröl im Wert von etwa 40 Millionen Euro. Eine Möglichkeit wäre, das Öl abzupumpen und zu versteigern. Dabei müssten jedoch logistische Herausforderungen gemeistert werden, da Schweröl vor dem Abpumpen erwärmt werden muss.

Eine Abpumpaktion auf See erfordert zudem spezielle Ausrüstung und geeignete Wetterbedingungen. Auch müsste eine Schutzmaßnahme wie eine Ölsperre eingerichtet werden, um Umweltverschmutzungen zu vermeiden.

Russlands Reaktion und Sicherheitsbedenken

Die Beschlagnahmung des Tankers könnte geopolitische Folgen haben. Russland exportiert trotz westlicher Sanktionen weiterhin riesige Mengen Öl. Der ukrainische Thinktank KSE Institute schätzt, dass Russland 2024 durch Ölexporte Einnahmen von rund 193 Milliarden US-Dollar erzielen wird. Ein großer Teil dieser Exporte erfolgt über die Ostsee.

Einige Experten befürchten, dass Russland auf die deutsche Beschlagnahmung mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren könnte. Dazu könnten hybride Angriffe auf maritime Infrastruktur oder sogar gezielte Störmanöver in der Ostsee gehören. Bereits in den vergangenen Monaten gab es vermehrt Berichte über Sabotageakte an Unterwasserkabeln und Pipelines in der Region.

Hintergrund: NATO-Beschlüsse gegen die Schattenflotte

Die Entscheidung zur Beschlagnahmung steht auch im Zusammenhang mit neuen Maßnahmen gegen Russlands sogenannte Schattenflotte. Beim NATO-Ostsee-Gipfel in Helsinki im Januar hatten sich die beteiligten Staaten darauf verständigt, härter gegen illegale russische Ölexporte vorzugehen. Neben verstärkter Überwachung und Marinepräsenz wurden auch erweiterte rechtliche Befugnisse diskutiert.

Ein NATO-Offizieller, der anonym bleiben möchte, erklärte gegenüber dem NDR, dass die “Eventin” ein deutliches Signal sei. Deutschland habe sich mit mehreren Ministerien, darunter das Innen-, das Verkehrs-, das Finanz- und das Verteidigungsministerium, abgestimmt. Eine Risikoanalyse habe ergeben, dass das Vorgehen vertretbar sei.

Mit der Beschlagnahmung der “Eventin” setzt Deutschland ein Zeichen gegen illegale Ölexporte Russlands. Doch das Vorgehen ist nicht ohne Risiko: Rechtliche Unsicherheiten, geopolitische Spannungen und die Gefahr einer russischen Reaktion machen den Fall brisant. Die kommenden Wochen dürften zeigen, wie Moskau auf die Maßnahme reagiert und welche weiteren Konsequenzen sie nach sich zieht.

Mehr Details zu den politischen und wirtschaftlichen Folgen der Beschlagnahmung finden Sie auf New York Mirror.

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