Home » Ex-Präsident Tadić warnt vor Zerfall der serbischen Gesellschaft

Ex-Präsident Tadić warnt vor Zerfall der serbischen Gesellschaft

by Andrew Roberts
0 comments
Ex-Präsident Tadić warnt vor Zerfall der serbischen Gesellschaft

In Serbien reißen die Proteste gegen die Regierung von Präsident Aleksandar Vučić nicht ab. Der ehemalige Präsident Boris Tadić sieht sein Land an einem Wendepunkt. Im Gespräch mit der APA bei einer Konferenz in Ljubljana betonte er, dass die Proteste zu einem politischen Wandel führen könnten. Andernfalls drohe ein weiterer Zerfall der Gesellschaft.

Studentenproteste als neue politische Kraft

Laut Tadić haben vor allem junge Menschen und Studierende eine wichtige Rolle übernommen. Sie protestieren gegen Ungerechtigkeit und Korruption. „Diese Generation bringt etwas Neues in unsere Politik“, sagte der Ex-Präsident. Dennoch mangele es den jungen Aktivisten an Erfahrung und politischem Wissen. Ohne diese Fähigkeiten sei echter Wandel schwierig. Tadić fordert deshalb gezielte Unterstützung – auch durch die Europäische Union.

Kritik an der EU: Interessen über Werte

Tadić übt scharfe Kritik an der Haltung der EU gegenüber dem Vučić-Regime. „Brüssel sieht Serbien nur durch die Brille eigener Interessen“, sagte er. Er nennt als Beispiele Frankreichs Wunsch, Kampfflugzeuge zu verkaufen, sowie das Interesse Deutschlands an serbischen Lithium-Vorkommen. Für ihn ist das ein Verrat an den europäischen Werten.

Die EU dulde laut Tadić seit Jahren die autoritäre Führung in Serbien. Diese Unterstützung schade der Demokratie im Land. Besonders junge Serbinnen und Serben seien derzeit die wahren Verteidiger europäischer Werte, weil sie für Rechtsstaatlichkeit kämpfen.

Fortsetzung der Proteste wahrscheinlich

Tadić glaubt, dass die Demonstrationen weitergehen werden. Ein zentraler Punkt der Proteste ist die Blockade des staatlichen Senders RTS in Belgrad. Tadić nennt den Sender eine “Bastion des Vučić-Regimes”. Die Protestierenden würden gezielt Druck auf wichtige Institutionen ausüben. „Sie erkennen instinktiv, wo es wehtut“, so Tadić. Er selbst nimmt an den Protesten teil.

Zusammenarbeit zwischen Studenten und Opposition nötig

Tadić spricht sich für eine Zusammenarbeit zwischen Studenten, Parteien und zivilgesellschaftlichen Gruppen aus. „Es wäre gut, wenn sich Studenten, Oppositionsparteien, Persönlichkeiten und Universitäten an einen Tisch setzen würden“, sagte er. Nur so könne man Fehler aufarbeiten und eine gemeinsame Strategie entwickeln. Doch das Vertrauen der Studierenden in die Politik sei gering.

Warnung vor Expertenregierung

Vorsicht sei geboten bei Vorschlägen wie einer sogenannten Expertenregierung, so Tadić. Wenn eine solche Regierung ohne politische Erfahrung das Land führe, könne das die Lage verschlimmern. Enttäuschte Hoffnungen würden Serbien in einen politischen Teufelskreis führen. Das wäre nicht nur gefährlich für Serbien, sondern auch für die ganze Region.

EU soll mehr Verantwortung übernehmen

Tadić ruft die Europäische Union auf, nicht nur mit der politischen Opposition zu sprechen. Sie müsse auch den jungen Demonstrierenden Gehör schenken. „Die Studenten kämpfen für Gerechtigkeit und für ein besseres Serbien. Sie verdienen Respekt und Unterstützung“, so Tadić.

Serbien steht vor einer Entscheidung

Die Zukunft Serbiens hängt laut Tadić davon ab, ob die Protestbewegung in eine politische Kraft umgewandelt werden kann. Dazu braucht es Bildung, Erfahrung und internationale Hilfe. Vor allem aber brauche es ehrlichen Willen zum Wandel – von innen und außen.

You may also like